Helfer mit Herz

Veröffentlicht auf von Johanna Raedecke

Sichtlich entspannt sitzt Jörg Polkehn in der Sonne, umgeben von einer Gruppe Jungjournalisten. Bereit, sich den Fragen zu stellen. Die Interviewer interessieren sich vor allem für seine Einsätze.

"Eine Krankenbeförderung ist relativ entspannt", so der Rettungsassistent, "da es sich hier meist nur um ältere Damen und Herren handelt, die seit drei Tagen Bauchschmerzen haben oder gestürzt sind. Doch bei richtigen Notfalleinsätzen steigt der Puls enorm." Richtige Notfälle. Von diesen gibt es jährlich in seinem Bezirk zirka 30000. Menschen, die nach einer Gasexplosion schwerste Verbrennungen erleiden, rettung.JPGKinder, die beim Spielen Gegenstände verschlucken und tragische Autounfälle. Wenn der Rettungsassistent diese Informationen erhält, muss es schnell gehen, sagt er. Das Adrenalin rauscht durch den Körper, wenige Sekunden entscheiden über Leben und Tod.Unter diesem Druck und Chaos muss Jörg Polkien die Nerven bewahren. Seit sieben Jahren ist er nun ausgebildeter Rettungsassistent, seit sieben Jahren erlebt er kleine medizinische Wunder und große Verluste. Zuvor arbeitete er bei der Bundeswehr, war sogar im Kosovo stationiert. Doch dann kam es zu einem Ereignis, das sein Leben und seine Prioritäten vollkommen veränderte. "Ich fuhr im Stockdunkeln mit dem Auto auf einem Feldweg. Es gab keine Beleuchtung und vor mir fuhr ein Bagger, den ich erst viel zu spät bemerkte. Mit 80 Stundenkilometern krachte mein Auto gegen den langsamen Bagger", berichtet Polkehn. Er erlitt zahlreiche Verletzungen, Brüche und eine Hirnfraktur. Doch dieser Unfall war der Auslöser für die Rettungsassistentenausbildung. Seitdem leistet er nicht nur schnelle Hilfe am Unfallort, sondern beruhigt auch Angehörige und spricht mit der Presse. Wir fragten ihn, welche Reaktionen die Angehörigen zeigen und ob sie sich für die Hilfe bedanken. "Meistens erwarten sie uns verständlicher Weise schon sehr ungeduldig und sind erleichtert, dass wir ihnen sagen, was zu tun ist. Im Allgemeinen ist unser Feedback sehr positiv und dankbar, aber auch sehr selten. Die Priorität der Angehörigen liegt bei der Fürsorge, und das ist auch nachvollziehbar. Wenn wir als Rettungsteam den Gesundheitszustand des Verletzten erfahren wollen, rufen wir selbst im Krankenhaus an." Während des Einsatzes hat Polkehn als Rettungsassistent die volle Entscheidungsgewalt, bestimmt, welche Behandlung der Patient bekommt, wenn der Notarzt zu lange braucht. "Bei den Gesprächen mit den Journalisten muss man seine Aussagen immer überlegen. Es dürfen keine Personalien genannt werden und natürlich sollten auch keine Gerüchte verstreut werden, denn so etwas kann fatale Folgen haben", so der Rettungsassistent. "Jeder Einsatz", so erzählt er, "hinterlässt auch beim Rettungsteam Spuren. Und einige Gedanken gehen auch mit nach Hause." Schuldgefühle habe er nicht bei Fehlschlägen, denn die Schuld liegt so gut wie nie bei ihnen. Trotzdem gehen solche Schicksale an das Gemüt. Um dieses Gemüt nicht nach jedem Einsatz weiter zu beschweren, ist es für das gesamte Team wichtig, einen Ausgleich zu finden und darüber zu sprechen. Mit der Familie geht sowas meistens nicht, da auch sie sich damit belasten. Also gibt es das SBE-Team zur psychologischen Hilfe, bei dem sie die Erlebnisse verarbeiten können. Auf die Frage, ob es solche Hilfen auch damals bei der Bundeswehr gab, antwortete er, dass das Militär in diesem Punkt sehr spät dran gewesen sei. Anfänglich gab es diese Hilfe gar nicht und auch später war diese nicht gut ausgearbeitet, so der Rettungsassistent. In seinem Beruf wird Polkehn oft mit dem Tod konfrontiert. Er erzählte in dem Zusammenhang, dass er die Maximalmedizin in Krankenhäusern erschreckend finde. Man versorgt einen Menschen bestmöglich und dieser liegt dann im Endeffekt 15 Jahre im Koma, so der Experte. „Da fragt man sich, wie lange man einen Patienten versorgen sollte und wann es besser ist, ihn gehen zu lassen“, sagt er und wird sehr nachdenklich. (14:45 Uhr)

 

Veröffentlicht in JPF-News

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